Teehaus "Golden Dragon"

Das Teehaus war zu Fuß in ein paar Minuten erreichbar, wenn man sich beeilte. Wenn nicht ging es trotzdem recht zügig, dorthin zu gelangen. Das Teehaus war noch ziemlich leer, die meisten Leute arbeiteten noch und für Geschäftsessen war es auch zu früh, sodass Luciferi nach dem Betreten des Etablissements keine Probleme hatte, einen Tisch für zwei in einem der Separees zu bekommen, die mit Schiebewänden bei Bedarf vor neugierigen Blicken geschützt werden konnten. Wobei in den Separees meist nur diese komischen Sitzkissen und Minitische standen. Aber nein, sie hatten Glück, es gab eines, das mit Stühlen ausgestattet war und auch einen reich verzierten Tisch vorweisen konnte.
Die Dämonin ließ sich, im Separee angekommen, auf dem Platz mit dem Rücken zur Tür nieder, die sie offengelassen hatte. Aviditas sollte nicht denken, dass es sie groß interessierte, wenn er die Schiebetür schloss, zumal die Bedienung bald kommen müsste.
"Ich hoffe, Sie haben meinetwegen jetzt keine Termine absagen müssen.", sagte sie dann, sich auf die SMS beziehend, die der Unternehmer vor ihrem Aufbruch hierher getippt haben musste. Die Dämonin verzichtete aber darauf, sich schon wieder zu entschuldigen oder zu bedanken, denn allmählich nervte sie das selbst schon. Sie beschränkte sich daher auf das zuckersüßeste Lächeln, dass sie zustandebrachte.
Nur die Bedienung schaffte es, dass sie den Blick von ihrem Gegenüber ließ, als sie das Separee betrat und die Bestellung aufnahm.
"Für mich ein Earl Grey.", sagte Luciferi, "Mit Bergamotte, wenn es geht."
Die junge Chinesin nickte und verschwand, nachdem sie auch die Bestellung Aviditas´ notiert hatte, und schloss die Tür des Separees hinter sich. Für ein paar Minuten wären sie ungestört.
"Also.", meinte Luciferi betont heiter, "Ich will Sie nicht länger als nötig aufhalten, also fragen Sie mich, was immer Sie möchten. Meine Aufmerksamkeit gehört allein Ihnen."
Die Dämonin lächelte wieder und strich sich das Haar zurück, bevor sie die Unterarme auf die polierte Tischplatte legte und die darauf stehende Vase anstupste. Dann fiel ihr auf, dass sie ihre für einen Menschen untypisch langen, scharf gefeilten Fingernägel besser nicht allzu offensichtlich präsentieren sollte, und schloss die Hände lieber zur Faust, während sie - ganz hingerissenes Weibsstück - an den Lippen ihres Gegenübers hing.

Aviditas folgte stumm der Frau, welche den Weg anscheinend sehr gut kannte. So kamen sie zügig vorwärts und nach ein paar Minuten sah der Dämon selbst schon das Gebäude. Chinesische Archtiektur war noch nie wirklich sein Ding gewesen, aber das Gebäude sah so recht in Ordnung aus. Er war auch recht froh, das sie beide eine abgeschottete Sitzecke bekamen, welche die Anzahl der möglichen Zuhörer minimierte, aber welche glücklicherweise auch mit Stühlen ausgestattet war. Die ganze Zeit nur auf den Knien oder auf einem Sitzkissen empfand der Mann als sehr unbequem und verstand es auch nicht, wie manche Kulturen dies dem angenehmen Gefühl eines bequemen Stuhles unter dem Hintern vorziehen konnten. Genau auf einen solchen Sitz ließ er sich auch, nachdem er etwas geräuschvoll die Tür hinter sich zugezogen hatte, nieder, wobei dieser genau gegenüber der Frau und der dahinter liegenden Tür war. "Ach nein, meine nächsten Termine sind erst etwas später, bis meine Verhandlungspartner soweit sind. Ich musste eben nur meinen Fahrer Felix informieren, das er mich nicht vor dem Geschäft abholen muss." antwortete er beschwichtigend der Frau, bevor auch schon die Bedienung eintrat. Die war eigentlich auch eine recht süße junge Frau, jedoch verhielt es sich mit chinesischen Frauen, wie mit der Architektur, bei dem Dämonen und seine momentane Begleitung gab eindeutig mehr her. So würdigte er sie kaum eines Blickes, zeigte ihr nur einen Wein auf der Getränkekarte und ließ sie dann wieder weggehen. Nun begann auch endlich das "Bewerbungsgespräch". "Gut, dann fangen wir gleich einmal mit den wichtigsten Dingen an. Waren, vor allem wo, angestellt und was für berufliche Erfahrung haben sie? Was für Fähigkeiten besitzen sie und vor allem was hebt sie von anderen Personen ab?" Er sah lächelnd zu ihr und musterte sie aufmerksam durch seine Sonnenbrille. "Sie können sich ruhig Zeit lassen bei der Beantwortung dieser Fragen, denn ich würde zu gerne eine ausführliche und vor allem ehrliche Antwort auf diese haben. Es gibt für mich persönlich kaum etwas schlimmeres als belogen zu werden." sagte er, wobei es so schien als würde ein Schatten über sein Gesicht huschen, als er den letzten Satz zuende sprach.

Luciferi musste sich mehrfach zügeln, um nicht - wie es ihre tierische Ader intendierte - vor Zufriedenheit zu schnurren. Aviditas persönlich verbrachte seine Freizeit mit ihren Angelegenheiten und scheuchte sogar seinen Fahrer woanders hin. Ich liebe Überraschungen vor dem Abendessen., dachte die Dämonin und mimte ein erleichtertes Nicken, als sie vernahm dass ihr Gegenüber ihretwegen nichts wichtigeres verpasste.
Als sie seine Fragen vernahm, die auch sofort das Wesentliche ansteuerten, geriet sie kurz ins Grübeln. Er hatte klar gemacht, dass sie besser nicht log, und jemand von seinem Format würde einen Betrug auch auf zehn Meilen gegen den Wind riechen, demnach würde sie wohl die Wahrheit sagen. Wenn auch nicht die ganze.
"Hm, ich kann sagen, dass ich eigentlich in jeder Branche schon mal gearbeitet habe.", meinte sie nach einiger Überlegung und lehnte sich zurück, "Rezeptionistin oder Zimmermädchen in Hotels, zwischenzeitlich Bürotätigkeiten in verschiedenen Firmen, manchmal auch nur Lagergehilfin oder Kurierfahrerin. Logistik und Spedition, einmal in jeder Handwerkszunft... Sogar ihren Job hier könnte ich machen."
Luciferi deutete hinter sich, wo sich keine Sekunde später die Tür öffnete und die Chinesin ihre Getränke brachte. Sie war ziemlich laut, man konnte sie schon von weitem hören. Die Dämonin schwieg, solange die Bedienung im Raum war und auch noch einige Sekunden danach, bis sie sich sicher sein konnte, das die Frau verschwunden war. Dann erst begann sie mit dem interessanten Teil ihrer Ausführungen, in welchem auch diesmal ihre zwielichtigen und vor allem verbotenen Tätigkeiten nicht angesprochen werden würden.

"Aber wenn ich etwas nennen müsste, was ich außerordentlich gut kann, dann wäre es die Arbeit mit und Verwaltung von Informationen.", sagte die Dämonin und schenkte sich etwas Tee aus der bauchigen Kanne in die winzige Tasse, die die Chinesin ihr gebracht hatte, "Nicht nur einfaches, wie es jede Sekretärin könnte. Eher so in Richtung Privatdetektiv, so was ähnliches war ich nämlich auch. Ich kann fast alles über eine Person, eine Firma, eine Sache oder sonstiges herausfinden, die Ergebnisse auswerten und vor allem absolutes Stillschweigen bewahren."
Sie sprach das alles in einem derart unverfangenen Tonfall aus, als beschriebe sie lediglich einfache Schreibtischarbeiten, es sollte ja nicht so wirken als würde sie offenkundig Illegales tun. Es sollte nur herauskommen, dass sie ihre Ohren nicht nur hatte, um Ohrringe zu tragen und ihren Kopf nicht, damit ihre Haare irgendwo rauswachsen konnten. Es blieb noch genügend Zeit, ihm ihre übermenschlichen Sinne und Intelligenz beizubringen. Luciferi schloss genießerisch die Augen, als sie an ihrem hervorragend zubereiteten Tee nippte, dann erst fuhr sie fort.
"Auch gefallen hat mir meine Tätigkeit als Kurier. Egal welches Wetter und wie lang die Staus, zu keinem Ort der Innenstadt brauche ich länger als fünfzehn Minuten, naja, sagen wir zwölf, und bis in die äußersten Bezirke maximal 40.", ergänzte sie und lächelte Aviditas an.
Gut, das waren ihre Bestzeiten gewesen und ihre zwischenzeitlich genutzte Kawasaki hatte sich jenseits aller Geschwindigkeitsbegrenzungen bewegt, aber dank ihrer überaus flinken und ausdauernden Konstitution würde sie die Strecke im inneren Bezirk auch ohne Motorrad schaffen.
Luciferi wippte nervös mit dem Fuß; sie hatte ihre Zigaretten bei ihrem geliebten Gefährt gelassen und spürte langsam, wie sich der Wunsch nach einer Dosis Nikotin breitmachte, beherrschte sich aber. Sie wollte sich das Rauchen sowieso abgewöhnen.

Aviditas lachte laut auf, als er die kleine Provokation hörte, sie könne sogar seine Arbeit machen. "Auf einmal Selbstvertrauen? Das lobe ich mir! Ich bin mir auch sicher, das sie meine Arbeit vielleicht genauso oder vielleicht auch besser ausführen könnten als ich. Es gibt sogar einige Personen, welchen ich soetwas zutrauen würde, nur fehlt denen dann meist die Ausdauer und sie würden schnell wieder in der Versenkung verschwinden." sagte Aviditas, ehe die Tür aufging und die Bedienung mit den Getränken den Raum betrat. Freundlich lächelnd nahm der Dämon seinen Wein entgegen, nippte einmal kurz daran und wartete dann ruhig darauf, bis die Frau wieder weg war. Kurze Zeit danach redete die "Anwerberin" auch schon weiter über ihre "speziellen Fähigkeiten". Zur Enttäuschung von Aviditas kam kein einziges Mal "Gelenkigkeit", "kann eine ganze Faust in den Mund nehmen" oder "kann einen Golfball durch einen Gartenschlauch blasen", jedoch hatte er schnell ein anderes Bild von der Frau. So nett sie es auch umschreiben wollte, sie hatte sich nun als eine schnell laufende Schnüfflerin bzw. Spionin gezeigt. Im Grunde Fähigkeiten welche wirklich nützlich waren, besonders in den heutigen Zeiten, doch konnte man diesen Leuten oft nie all zu heikle Aufgaben anvertrauen, da sie manchmal ein doppeltes Spiel spielten. Da war die Versicherung, sie könne Stillschweigen bewahren, eher ein schwacher Trost. "Interessant... Dann hätte ich gerne noch ihre komplette Anschrift und Erreichbarkeiten, bevor wir zu einem kleinen Test übergehen würden. Ich möchte ja wenigstens wissen, wie und vor allem wo ich mich bei ihnen melden kann."

Luciferi war kurz überrascht, als Aviditas plötzlich anfing zu lachen, musste dann aber ebenfalls grinsen, als ihr bewusst wurde dass er sie ein wenig missverstanden hatte. Eigentlich hatte sie den Job der Kellnerin gemeint, aber jetzt wo sie darüber nachdachte war seine Interpretation viel besser.
"Oh, aber nicht doch!", wehrte sie lachend ab, "Ich käme nie auch nur auf den Gedanken, eine solch anspruchsvolle Position wie Sie zu bekleiden, geschweigedenn sie Ihnen streitig machen zu wollen. Wobei mangelnde Ausdauer da ein eher geringes Problem darstellen sollte..."
Die Dämonin lächelte dezent, während sie sich eine zweite Tasse Tee genehmigte. Aviditas schien verstanden zu haben, worauf sie mit ihrem verharmlosten Monolog heraus wollte, jedenfalls verriet sein Blick, dass er ihre Fassade des unbescholtenen Frauenzimmers durchschaut hatte. Eigentlich prima, hatte er so doch gleich eine Kostprobe ihrer Kunst erhalten. Hoffentlich schmeckt es ihm..., dachte sie feixend.
Die Frage nach ihrer Anschrift aber brachte sie ein weiteres Mal ins Grübeln. Sie konnte ihm schlecht sagen "ein alter Bahnhof irgendwo in der Pampa", geschweigedenn würde sie die Adressen ihrer anderen Verstecke preisgeben.
"Ich fürchte, ich kann Ihnen keine Anschrift nennen, unter der ich zumeist zu finden wäre.", sagte sie gespielt bedauernd, "Zur Zeit habe ich keinen eigenen Wohnsitz im eigentlichen Sinne und schlafe meist in Hotels oder bei...flüchtigen Bekannten. Hiermit können sie mich aber Tag und Nacht erreichen."
Damit griff sie in die Tasche ihres Blazers und schob Aviditas eine kleine Visitenkarte über den Tisch. Darauf war nicht mehr gedruckt als eine einzelne Handynummer. Das kleine Schmuckstück hatte sie vor einiger Zeit gestohlen, sich aber schnell einen Vertrag (unter falschem Namen, versteht sich) zugelegt und achtete penibel darauf, dass niemals der Akku aufgab. Nur wenige Leute kannten die Nummer der Informantin, und sie gab sie auch nur an die wenigsten weiter, aber er hier konnte sie ohne Probleme haben. Sobald dieses Handy anfing zu vibrieren, konnte Luciferi sich sicher sein, dass entweder ein Job ins Haus kam oder aber etwas wichtiges geschehen war, und sie nahm jeden Anruf wahr, da sie sich nie von ihrem Handy trennte. Auch jetzt trug sie es in der Innentasche ihres Blazers

Nachdem die Dämonin Aviditas ihre Visitenkarte übergeben hatte, stützte sie ihren Kopf auf ihre Hand, den Ellenbogen auf der Tischplatte postiert.
"So, ich hoffe, das genügt Ihnen, um mich zu finden, ich bin wie gesagt immer erreichbar.", sagte sie und lächelte, "Aber Sie erwähnten einen kleinen Test...was genau schwebt Ihnen denn da vor?"
Luciferi hatte keine Ahnung, was er vorhaben könnte, wappnete sich aber innerlich gegen alles. Selbst wenn er unerwarteterweise angreifen sollte, sie vertraute auf ihre Schnelligkeit. Und sollte er etwas anderes planen, nun, dann würde sie sich wohl überraschen lassen müssen.

Aviditas lächelte amüsiert zu der Frau. "So so an der Ausdauer würde es ihnen nicht fehlen? Das ist schön zu hören. Ob es stimmt, werden wir ja dann später sehen." Nun sprach sie aber über ihre "Probleme" ihre genaue Adresse angeben zu können. Sie schien anscheinend keinen festen Wohnsitz zu haben, was bei einem solchen Menschenschlag nicht sehr unwahrscheinlich war, aber dennoch besaßen alle Informationsbeschaffer irgendwo ein kleines Hauptquartier, wo sie sicher und ungestört ihre Sachen verstauen konnten. "Das ist aber schade, eine junge Frau, wie sie es sind, sollte doch immer einen festen Rückzugsort haben. Ebenso bin ich immer sehr interessiert, wie meine Angestellten wohnen und wo ich sie einmal überraschend besuchen kann." sagte er und nahm die Karte entgegen, welche das Recht auf den Titel "Visitenkarte" durch den Informationsmangel auf dieser eigentlich nicht verdient hatte. "Das mit dem Wohnort können wir aber bestimmt dann noch klären. Sie müssen wissen, ich biete meinen Angestellten neben vielen anderen Dinen nämlich auch Unterkünfte an." schloss er dieses Thema ab und fuhr mit der Aufgabe der "Anwärterin" fort. "Im Grunde besteht dieser Test aus zwei kleinen Aufgaben. Der erste wird sich zeigen, ob sie überhaupt die Mühen wert sind und ob ich sie für die zweite Aufgabe, welche ihnen einen kleinen Eindruck über ihre Arbeit vermitteln soll, üerhaupt zulasse." Nachdem er geendet hatte nahm Aviditas einen Block und einen Kugelschreiber aus seinem Anzug hervor und schob diese zu der Frau hin. "Ihre Aufgabe ist es den Namen, das Alter, die Kleidergröße und die Handynummer der Bedienung hrauszufinden, welche unsere Getränke brachte."

Luciferi entging der amüsierte Unterton nicht, mit dem Aviditas ihre Aussage bezüglich ihrer Ausdauer quittierte. Doch es stimmte nunmal, sie war schnell und ausdauernd, und bei passender Gelegenheit würde sie was wohl auch beweisen müssen. Vorerst galt es aber, ihren potentiellen nächsten Auftraggeber bei Laune zu halten. Dass sie keinen Wohnort nennen konnte, schien ihm nämlich weniger zu gefallen, aber so sehr sie auch an seiner Person (und Macht) interessiert war, es wäre das letzte was sie wollte, den Dämon plötzlich mitten in der Nacht an ihre Verstecktür klopfen hören zu müssen. Selbst wenn es nur zu "Geschäftszwecken" war. Es ist doch eigentlich einfacher, anzurufen und mich sonstwohin zu bestellen, oder?, dachte die Dämonin.
Aviditas´ Angebot einer Unterkunft würde sie zwar annehmen, aber sie würde von nun an etwas vorsichtiger agieren müssen: je mehr sie sich an Luciferis Arbeit herantasteten, desto sparsamer musste sie mit Informationen sein.
"Gegen eine feste Wohnung wäre sicherlich nichts einzuwenden.", sagte sie und setzte eine nachdenkliche Miene auf, "Aber darüber können wir noch sprechen, wenn ich Sie habe überzeugen können, nicht wahr?"
Luciferi lächelte. Sie behielt dieses Lächeln auch bei, während sie ihrer Aufgabenstellung zuhörte, doch es wurde zunehmend schiefer. Ach, verbinden wir gleich das angenehme mit dem Nützlichen, was?, dachte die Dämonin und nahm die Schreibutensilien entgegen. Dieser erste Test war doch ein Kinderspiel.
"Das ist alles?", fragte sie und steckte den Block ihrerseits ein, "Kein Problem. Geben Sie mir fünf Minuten."
Ohne ein weiteres Wort zu verlieren hob Luciferi die Teekanne am Griff an, wog sie kurz prüfend und zerschlug das Gefäß dann unter lautem Klirren an der Tischkante.

Noch während die Scherben zu Boden fielen, waren die hastigen Schritte der Chinesin zu hören, und Luciferi schaffte es gerade noch, sich mit einer der Scherben die Handfläche anzuritzen underschrocken wirkend aufzurichten, bevor diese das Separee betrat.
"E-es tut mir leid, ich sammle die Scherben ein!", sagte die Dämonin hastig, als die Bedienung sich bückte, und tat so als wolle sie die Chinesin beiseite schieben. Bei der Gelegenheit schob sie aber den Kragen ihres Oberteils ein wenig zurück, sodass sie das Schild darin sehen konnte. "Nicht doch, Miss, ich mache das schon.", sagte die Bedienung mit Akzent, "Bitte setzen Sie-..oh, Sie bluten ja!"
Der Chinesin war Luciferis Schnittwunde aufgefallen, und Teil 2 des Plans begann, von dem die Bedienung nicht wusste dass sie mitspielte. Ein wenig Geplänkel und Scherbengesammel später führte die Chinesin nämlich Luciferi aus dem Separee, um ihre Hand zu verarzten. Die Dämonin grinste Aviditas noch einmal zu, bevor sie außer Sicht war.

Drei Minuten später kehrte die Dämonin zurück und schloss die Schiebetür, siegessicher grinsend und mit einem dünnen Verband um die Handfläche. Sie warf dem Dämon den Block auf den Tisch und begann ihre Ergebnisse herunterzubeten, noch bevor sie sich hinsetzte.
"Ying Li, 27 Jahre alt, geboren in New Jersey, lebt seit 5 Jahren hier.", sagte Luciferi gedämpft und verschränkte die Arme, "Kleidergröße 38, sie arbeitet zwei Mal die Woche in einer Yoga-Schule. Ihre Anschrift und Handynummer stehen da auf dem Block."
Sie deutete auf eben diesen vor sich, und in eben jenem Moment vibrierte ihr Handy, das sie nun in der Außentasche ihres Blazers trug. Vermutlich war das ihr Kontakt, den sie für einfachere Recherchen über Personen hinzuzog, und tatsächlich war soeben eine aufschlussreiche SMS eingetrudelt, die ihre knappen, vor wenigen Augenblicken vor dem Separee abgeschickten Anfragen beantwortete.
"Ab und zu arbeitet das hübsche Mädchen aber auch im Untergrundlokal >Hong Kong Sun< als Tänzerin...und manchmal auch mehr.", verbalisierte Luciferi die eingegangenen Zeilen und blickte Aviditas über das Handy hinweg an, "Laut ihrer Krankenakte ist sie HIV-positiv."
Sie klappte ihr Handy wieder zu und lehnte sich zurück. Sie war sicher, dass die Warnung für den Dämon angekommen war, und auch, dass sie sehr wohl kapiert hatte, worauf er mit seinem Test abzielte.
"Zufrieden?"

Amüsiert nahm der Dämon das Selbstvertrauen der Frau wahr, welche diesen Test als eine vollkommen einfache Sache zu sehen schien. Sehr schwar war es nun wirklich nicht, aber es würde ihm wenigstens eine gute Einsicht über ihre Fähigkeiten im Informationsbeschaffungsbereich geben. Ihr erster wirklicher Schritt, die Kellnerin mit dem Zerschlagen und Selbstverletzen herzulocken, nahm er deshalb mit ernster Miene, damit es nicht seltsam wirkte, aber doch innerer Belustigung hin. Einen guten Ansatzpunkt hatte sie schon einmal. Nach etwas "Smalltalk" der beiden Frauen, war er dann auch schon alleine im Zimmer und nutzte die Zeit um eine weitere SMS zu schreiben. Keine Minute Später tauchte Luci aber wieder auf und haute ihm die gewünschten Informationen, sowie einige ungefragte, um die Ohren. Jedoch wurden diese "nicht erwünschten" Informationen noch umfangreicher, nachdem die Frau auf ihr Handy gesehen und viele neue Geheimnisse enthüllt hatte. "Nicht schlecht, werte Dame." räumte Aviditas ihr auch schon ein. "Jedoch sollte man lieber über einige Informationen Stillschweigen bewahren, das müssten sie ja eigentlich aus ihrem Beruf kennen. Man wird im Grunde nur für die in Auftrag gegebenen Antworten bezahlt, alles zusätzliche ist verschenkt." Nach dieser kurzen Ausführung nahm er einen weiteren kleinen Block zur Hand und sah kurz über diesen, während er immer einmal wieder auf den von Luci vorgelegten sah. "Ihre Daten sind soweit auch alle korrekt." Schon hatte er dieses Kapitel abgeschlossen und ihr gleichzeitig auch klar gemacht, das er schon längst alle Informationen über diese Frau gewusst hatte. "Somit wären sie für den zweiten Teil zugelassen. Bevor wir aber damit anfangen: möchten sie wirklich bei mir arbeiten?" Er sah die Frau stechend durch seine Sonnenrbrille an. "Einmal angenommen lasse ich niemanden, das sollten sie verstehen, aus Betriebssicherheitsgründen einfach wieder so schnell gehen."

Luciferi verschränkte die Arme. Die Dämonin wusste, dass sie vielleicht ein wenig dick auftrug, aber das war eine Art Bewerbungsgespräch. Er sollte ruhig merken, dass sie, einmal auf jemanden angesetzt, alles herausfinden würde. Wieviel von ihren Ergebnissen sie dann letztendlich verkaufte, hing vom Job ab, doch in diesem Fall wollte sie mal nicht geizig sein.
"Mir ist klar, dass ich bei einem richtigen Auftrag nur das Nötigste preisgeben darf.", sagte sie und lächelte schief, "Momentan wollen Sie sich aber einen Teil meiner Arbeit ansehen, und da sollte ich nicht verheimlichen dass ich mehr als das bisschen in kurzer Zeit rauskriege. Gerade Sie sollten doch wissen, dass man nichts unter seinem Wert verkauft...und auch mal ein wenig Werbung macht."
Die Bestätigung ihrer Angaben quittierte Luciferi mit einem Nicken. Natürlich stimmten die Angaben, also wirklich. Woher er es wusste, wollte sie nicht wissen und es ging sie auch nichts an. Sie hatte später noch Zeit genug, alles über diesen Aviditas in Erfahrung zu bringen...und das für ihre Zwecke zu nutzen.
"Nein.", sagte Luciferi dann und legte lächelnd den Kopf schief, "Ich will nicht bei Ihnen arbeiten, ich will für Sie arbeiten. Ich brauche einen Job und bin froh, wenn ich mir sicher sein kann ihn nicht sofort wieder zu verlieren."
Dieser Dämon ahnte gar nicht, wie wenig Intention Luciferi hatte, ihn alsbald wieder zu verlassen, im Gegenteil: sie würde erst wieder gehen, wenn sie jeden möglichen Vorteil aus dieser Bekanntschaft geschlagen hatte...oder der Dämon tot war.
Oder beides.

"Sie sind mir ja eine, werte Dame." lachte Aviditas plötzlich auf, als sich die Frau an seiner Wortwahl anscheinend etwas auszusetzen hatte und ihn korrigierte, das sie nicht bei sondern für ihn arbeiten wolle. "Nun gut, dann sollen sie eben für mich und nicht bei mir arbeiten. Solange sie auf meiner Lohnliste stehen, ist es für mich einerlei." Nach diesen Worten stand er auf und klopfte sich kurz die Hose ab, bevor er die Blöcke einsteckte und zur Frau sah. "Ich nehme an, austrinken müssen sie nicht mehr." merkte er an, bevor er selbst den Rest des Weines die Kehle hinabspühlte. "Dann können wir ja gleich los. Mein Fahrer wartet schon vor dem Lokal auf uns und wird uns zum Testort bringen, wo sie bei einer alltäglichen Situation von mir beobachtet werden." Lächelnd deutete der Dämon zur Tür. "Aber bitte vergessen sie nicht beim Herausgehen zu zahlen, wenn sie mich schon eingeladen haben." Gleich nachdem er das gesagt hatte ging er schon, stolz wie ein Pfau, aus dem abgetreten Raum und war glücklich selbst nicht das 50 Dollarglas Wein bezahlen zu müssen.

Luciferi sagte nichts zu den Worten Aviditas´, dachte sich aber ihren Teil. Im Gegensatz zu ihm legte sie jedes Wort auf die Goldwaage, und sollte er es nicht genau genug nehmen mit der Formulierung, bot er ihr damit Angriffsfläche. Eigentlich hatte sie erwartet, dass jemand in seiner Position achtsamer war, aber vielleicht musste man das mit einem gewissen Maß an Macht nicht mehr. Die Dämonin würde es herausfinden und auch zweifellos zu ihrem Vorteil nutzen. Noch hatte sie sich weder selbst offenbart noch deutlich zu verstehen gegeben, dass sie wusste wer er war. Die ganze Sache schwamm im Nebel, und das war eine ideale Grundlage für Luciferi. Der Guldenchef konnte ja nicht wissen, dass er sich gerade selbst das Kuckucksei ins Nest legte.
Sie lächelte und ließ achtlos den Verband von ihrer Hand wickeln, als sie wie auch Aviditas aufstand.
"Ich hab schon bezahlt, als ich vorhin weg war.", sagte sie zuckersüß, "Zeit ist Geld."
Er hatte teuer getrunken, doch wenn man vor kurzer Zeit erst fremde Juwelen verkauft und mehrere tausend Dollar einkassiert hatte, tat das nicht weh. Sie würde ihm im Gegenzug alles nehmen, was sie kriegen konnte, aber alles zu seiner Zeit. Nun folgte sie ihm erstmals aus dem Separee, hielt jedoch vor der Tür an.
"Wollen Sie jetzt gleich zum nächsten Test fahren oder würde die Zeit noch reichen, dass ich mich legerer kleiden kann?", fragte sie den Dämon, "Wenn ja, können Sie mir ja telefonisch oder gleich hier den Treffpunkt nennen."
Gut, Luciferi sehnte sich tatsächlich nach ihrer Lederkluft und den Stiefeln, doch Hauptgrund für ihre Frage war ihr Motorrad, das ja noch hier in der Nähe parkte. Sie entfernte sich ungern sehr weit davon, und sollte er mit ihr sonstwo ans andere Ende der Stadt fahren wollen hätte sie ihr treuestes Begleitgefährt lieber bei sich. Und wenn nicht, meine Güte, wenn er sie beim Shoppen oder sonstwas beobachten wollte, bitte, ihr doch egal.

Beinahe hätte er die Augen verdreht und gemurmelt "Frauen..." Doch der Dämon hatte noch genügend Anstand zu heucheln, das er sich nur verdutzt an der Wange kratzte. "Es könnte etwas heikel werden, wenn wir zu spät kommen sollten. Falls sie etwas bequemeres tragen wollen, schlage ich deshalb vor, das sie sich beeilen und dann in spätestens einer halben Stunde wieder zu mir stoßen. Ich werde selbstverständlich auf sie warten, alles andere würde ja die Überraschung verderben. Jedoch würde ich sie bitten, sich nicht zu locker zu kleiden, da wir zu einem sehr angesehenen Ort, wo mehr Abendgaderobe angebracht ist, gehen werden." Er zupfte sich selbst nach dieser Erklärung einmal am Kragen herum, als würde es ihm liegen wie dieser stand, und trat dann aus dem kleinen Zimmer heraus. "Mein Gefährt müssten sie eigentlich sehr einfach erkennen, eine schwarze Limo steht nicht all zu direkt gegenüber von einem Teeladen." Langsam schritt er nun auch aus dem Geschäft, verabschiedete sich mit einem kühlen Lächeln vom Personal und trat ins Freie. "Ich wünsche ihnen also viel Erfolg beim Umziehen und verspäten sie sich nicht. Wie sie sagten, Zeit ist Geld."

Luciferi nickte bedächtig, als sie den Worten Aviditas lauschte, und triumphierte wieder ein kleines bisschen, da sie immerhin ein paar Informationen hatte sammeln können. Es ging also irgendwo hin, wo man sich gut zu kleiden hatte und er wollte nicht, dass sie sich vorbereiten konnte. Na gut, anders wäre es ja auch kein Test. Sie beschloss, mitzuspielen, und da er auf sie warten wollte würde sie wohl ihr Motorrad bei einem Versteck in der Nähe lassen und sich ein Taxi zurück nehmen.
"Oh, wenn Abendgarderobe erwünscht ist, werde ich sicherlich auch etwas finden, ich hatte mit einer alltäglicheren Alltagssituation gerechnet.", sagte sie und zupfte sich am Blusenkragen, "Bei dieser Sachlage werde ich mich wohl trotzdem umziehen, wenn auch Ihren Wünschen etwas entsprechender. Ein Kleid ist sicher passender als dieses langweilige Kostüm, oder?"
Mit dieser Bemerkung spielte sie auf ihr Businessoutfit an (das sich ja nun ausreichend gelöster gezeigt hatte) und die Dämonin überlegte such sofort, welche Kleider sie im am nächsten liegenden Versteck deponiert hatte. Ein langes Abendkleid müsste noch drüben liegen, ebenso wie Makeup und andere Kleinigkeiten, die sie möglicherweise brauchen würde. Luciferi sah auf die Uhr. Eine halbe Stunde reichte.
"Gut, Mr Ditas, dann bin ich in exakt 28 Minuten in Abendgarderobe wieder hier.", sagte sie und steuerte auf die Tür zu, bevor sie sich noch einmal kurz zu Aviditas umdrehte, "Ich beeile mich."
Damit verließ sie den Laden und machte sich auf den Weg zu ihrem Motorrad, welches einen Block weiter in einer Seitenstraße parkte und mit dem sie ihr nächstes Versteck innerhalb von 4 Minuten erreichen konnte. Eine Viertelstunde Vorbereitung und dann musste nur noch das Taxi hinmachen, damit sie ihren Zeitplan einhielt.
Ein verschlagenes Lächeln zierte Luciferis Mundwinkel, als sie das Teehaus verlassen hatte und sich unter die Menschen auf der Straße mischte. Der Spaß konnte schon bald beginnen.

Nach: Das Parkhausdach

Aviditas grinste etwas schief, als Luci verlauten ließ, das sie etwas alltäglicheres erwartet hatte. "Werte Dame, ich leite ein Firstclass Unternehmen, im Grunde ist jede alltägliche Situation bei uns beinahe einer Abendgaderobe würdig. Ein Abendkleid ist deshalb passend, auch wenn ein Kostüm auch nicht am falschen Platz wäre. Ihren Modegeschmack überlasse ich ganz ihnen, solange sie sich einfach an die abgesteckten Rahmenbedingungen halten." Danach verabschiedete sich der Dämon auch höflich und ging auf ein schwarzes Fahrzeug zu, welches gerade im Halteverbot stand. Innerlich lachte er, sein Fahrer nahm seine Anweisungen wirklich sehr genau, wenn es um das Parken ging. So sollte er sich dorthin stellen, wo keine andere Person sie wegen einem Parkplatz nerven würde. Der andere Grund, wieso er innerlich hocherfreut war, war die zweifelsohne die Bekanntschaft der jungen Frau. Sicherlich verheimlichte sie noch etwas, jeder in diesem Gewerbe tat dies und vor allem jede Frau auf dieser seltsamen Erde hatte Geheimnisse, doch er würde es schon früher oder später herausfinden, wenn es von Bedeutung war. Nun aber öffnete er erst einmal die Tür und ließ sich in seine Limousine reinfallen. Die 30 Minuten Wartezeit würde er bestimmt irgendwie unterhaltsam verbringen können.

Von: das Parkhausdach

Trotz eines kleinen Staus an einer Kreuzung hielt 27 Minuten, nachdem Luciferi das Teehaus verlassen hatte, ein Taxi schräg gegenüber von eben diesem. Die Dämonin klappte ihr Handy zu, in dessen dunklem Display sie kurz noch ihre Frisur und das Makeup kontrolliert hatte, bezahlte den Fahrer und stieg aus dem Wagen. Leichter Wind fing sich in ihrem Haar, das sie nicht mehr so bieder gekämmt trug wie vorhin, stattdessen hatte sie bis auf ein paar Strähnen alles locker aufgeschüttelt und über ihre Schulter geworfen.
Die Dämonin fiel ein wenig auf, als sie gemessenen Schrittes auf die einige Meter entfernt parkende Limousine zusteuerte, vermutlich weil es noch nicht dunkel war und sie trotzdem ein eindeutig für den Abend gedachtes Kleid trug. Oder es lag an dem Schnitt des schwarzen Kleids, was immerhin ihre Primärreize betonte, wenn auch etwas edler als das Kostüm von vorhin. Der Chauffeur ließ die Scheibe herunter, als sie neben dem Wagen stehenblieb. Die anderen Scheiben waren getönt, sodass sie nicht wusste ob Aviditas hier wartete oder irgendwas erledigen gegangen war, alsoo wandte sie sich an den Fahrer, der sie mäßig interessiert anblickte.
"Ihr Herr erwartet mich.", teilte Luciferi ihm mit einer Spur Überheblichkeit mit, "Ist er hier?"
Luciferi blickte auf die Uhr am Armaturenbrett der Limousine: sie hatte ihre Zeit perfekt eingeteilt.

30 Minuten vergingen eigentlich wie im Fluge. Aviditas hatte im Grunde nur einmal kurz die Augen geschlossen, um nachzudenken und kurz zu verschnaufen, bevor er etwas herumtelefonierte hatte, um auch auf dem neusten Stand zu sein, und dem Fahrer die neusten Instruktionen gegeben. Und dann kam auch schon Luci. Hätte er nicht vorher mit dem Fahrer gesprochen, da war sich der Dämon ganz sicher, hätte dieser wohl einen dummen Spruch gemacht um die Frau, welche in einem Kleid noch viel ansprechender und "talentierter" aussah, auf ihr Äußeres hinzuweisen. So aber verhielt sich sein Fahrer Felix recht zivilisiert, machte das Fenster herunter und sah der Frau in die Augen, wobei dies ihm die größten Anstrengungen zu machen schien. "Guten Tag, werte Dame. Der Herr Ditas ist im Wagen und hat mir alles erzählt." Gleichd arauf ging das Fenster auch schon wieder hoch, wobei der Fahrer jedoch keine Anstalten machte weiter auch nur einen Finger zu rühren. Hingegen flog die hintere Tür der Limousine auf, ein mit hochgegelten Haaren geschmückter Kopf sah hinaus und schon kam der Rest des Dämonen aus dem Wagen, ehe er die Tür zuschlug. "Ah sehr schön das sie es noch pünktlich schaffen konnten. Ich dachte schon, wir hätten ohne sie losfahren müssen. Aber ich sehe schon, das sie sich herausgeputzt haben. Da kann es schon einmal etwas länger dauern." Mit einem Grinsen lief Aviditas um die Limousine herum, nur um dann die hintere Tür der Wagenseite von Lucis Standort zu öffnen und freundlich in den Innenraum deutete. "Bitte nach ihnen."

Luciferi entging die offenkundig tiefsitzende, schmierige Ader des Fahrers nicht, der sie zwar grüßte, aber arge Probleme hatte, seine Augen bei sich zu halten. Bei Leuten, die keinen Einfluss hatten, konnte das schon mal zu einer sehr schmerzhaften Attacke seitens der Dämonin kommen, die es zwar mit ihrem Aussehen darauf anlegte, angestarrt zu werden, aber durchaus die Mittel besaß, diejenigen zurechtzuweisen die es nicht verdient hatten. Allerdings wollte sie gerade keinen Ärger verursachen, daher begnügte sie sich damit, dem Fahrer (Felix hatte Aviditas ihn genannt, meinte sie sich zu erinnern) einen mörderischen Blick ihrer verschiedenfarbigen Augen zuzuwerfen.
"Wie reizend, vielen Dank auch.", sagte sie abfällig, als der Mann das Fenster einfach wieder schloss, dann wandte sie sich der Tür zu, die sich soeben am Wagenheck öffnete. Aviditas war also tatsächlich hiergeblieben.
"Ich hoffe, Sie haben sich nicht gelangweilt.", sagte sie mit freundlichem Lächeln, als der schlanke Mann ausstieg, "Aber jemand mit Ihrem Format sollte sich nicht mit einer nur mitelmäßig gekleideten Begleitung zufriedengeben müssen, finde ich."
Sie folgte dem Dämon zur ihr zugedachten Tür und bedankte sich, als er diese für sie öffnete. Sie musste den Kopf ein bisschen einziehen, doch dank der geschlitzten Seite des Kleides hatte sie keine Probleme, sich in den geräumigen Wagen zu setzen. Sie hatte noch nie eine Limousine von innen gesehen und sah sich interessiert um, während auch Aviditas zustieg. Sie war gespannt, wo es jetzt hinging und was genau dem Dämon ihre Person betreffend überhaupt vorschwebte. Es war jedenfalls die abenteuerlichste Bewerbung, die sie je getätigt hatte, und das für einen Job, von dem sie nichtmal wusste was es war.

"Ach, ich doch nicht meine Dame. Ich habe immer genug zu tun, das ich wohl kaum Langeweile in nur 30 Minuten Wartezeit verspühren könnte." Er lächelte Luci zu, als diese ihr Aussehen gekonnt herunterspielte. "Aber aber, ein Mann von Format weiß doch nicht nur Abendkleider zu schätzen. Es kommt ja immer noch darauf an, wer in den teuren Sachen steckt." Nach diesem kleinen Wortgeplänkel begab sich die Frau auch schon in den Wagen und, gleich nachdem sie auf dessen schwarzer Sitzfläche platz genommen hatte, schloss der Dämon die Tür mit einem leichten Knall. Ein paar Sekunden war von ihm nichts zu sehen, bis auf seinen Schemen, welcher a, Fenster weggehuscht war, eher sich die Tür auf der anderen Seite öffnete und Aviditas nun durch diese einstieg. "Sie sollen ja in ihrem guten Kleid nicht unnötig auf ihrem Hosenboden herumrutschen müssen." gab er nur eine unaufgeforderte Erklärung ab, bevor er sich selbst auf den seinigen gleich neben ihr setzte. "Ich hoffe sie werden die kurze Fahrt genießen." Der Geschäftsmann lächelte fröhlich zu Luci, ehe er schnippste und in einem härteren Ton sagte: "Wir können jetzt fahren. Das Ziel bleibt bestehen." Da nun das wichtigste geklärt war, lehnte sich der Dämon jetzt zurück, schlug sein linkes über sein rechtes Knie und legte seine Hände in den Schoß. "Und wie gefällt ihnen mein Wagen?"

Luciferi lächelte leicht als Erwiderung auf die Worte Aviditas´. Natürlich hatte er sich nicht gelangweilt, zu tun hatte er bestimmt genug, aber er sollte ruhig merken dass die Dämonin darauf bedacht war, es ihm unter allen Umständen recht zu machen. Er durfte keinesfalls an ihrer Gewissenhaftigkeit und ihrem Engangement zweifeln, immerhin war es ihr ja wirklich ernst. Nur eben nicht so sehr wie mit dem Job als mit dem damit verbundenen Kontakt zur Spitze einer Organisation mit Einfluss.
Eben diese Organisationsspitze schloss soeben die Wagentür und verhinderte somit, dass Luciferi auf die Idee kam durchzurutschen, und stieg wenige Sekunden später von der anderen Seite in den Wagen. Wenn man bedachte, dass sie eigentlich diejenige sein sollte, die Türen zu öffnen und Aviditas Platz zu machen hatte, verhielt er sich verdammt nett für einen Dämon. Entweder ging er immer so mit Frauen um oder aber sie stand tatsächlich in seiner Gunst. Seinen Fahrer blaffte er nämlich weit unfreundlicher an als sie.
"Der Wagen ist wirklich atemberaubend.", antwortete Luciferi selten ehrlich und sah sich das luxuriöse Wageninnere genau an, "Er muss doch ein Vermögen gekostet haben."
Die dunkle Sitzfläche wirkte Nagelneu, aus den Kästen und merkwürdigen Vertiefungen vor ihnen konnte man bestimmt die abenteuerlichsten Dinge herausklappen lassen und so viel Platz hatte bisher noch kein anderes Auto bieten können, in dem sie zuvor gesessen hatte. Aviditas konnte sogar seine Beine übereinanderschlagen ohne Furcht, zuwenig Beinfreiheit zu haben (eine Bewegung die sie in diesem Kleid lieber unterließ). In dem Auto konnte man sicher mehr als nur herumfahren. Trotzdem nickte Luciferi fröhlich und beschloss, die Aussage des Dämons umzusetzen und die Fahrt zu genießen, wohin auch immer sie führen würde.

Erfreut grinste der Dämon, als seine Begleitung anscheinend von seinem Gefährt begeistert war. "Ja das ist wirklich ein schönes Stück. Gekostet hat es aber nicht wirklich viel. Es war eigentlich mehr ein Geschenk für einen erfolgreichen..." Aviditas stoppte kurz, als ihm eine humane Bezeichnung für seine Geschäfte nicht auf die schnelle einfallen wollte. "Transaktionsakt, zwischen meiner und einer anderen Firma, von eben dieser." schloss er aber den halbfertigen Satz nach ein paar Sekunden Verspätung ab. "Sie können ruhig den Wagen und seine Besonderheiten näher begutachten. Kaputtgehen kann nichts wirklich." Er zeigte auf ein paar Vertiefungen in Lucis Nähe. "Dort müssten Snacks und eine kleine Minibar sein. Und dort ist glaube ich ein Musikplayer." Nachdem er aber die "anfassbaren" Dinge gezeigt hatte, zog er noch seinen Aktenkoffer, welcher etwas in der Nähe der Frau lag, von ihr weg. "Nur sollten sie niemals irgendwelche Taschen oder Koffer von mir ungebeten öffnen, sie würden sich am Ende nur selbst unnötigen Ärger einhandeln. Zu leicht kann bei solchen Dingen ja etwas herausfallen oder zu Bruch gehen." Gleich darauf sah er an eine Uhr, welche im Wagen montiert war. "Sie haben genug Zeit sich umzusehen oder mich noch etwas zu fragen, wir sollten erst in gut 10 Minuten da sein. Der Verkehr in dieser Stadt ist grauenhaft."

Luciferi hob milde überrascht beide Augenbrauen ein Stück, als sie Aviditas´ Erklärungen zur Herkunft des Wagens hörte. Offenkundig waren die Geschäfte, aus denen er stammte, nicht halb so sauber wie die glänzende Karosserie des Wagens selbst und die Dämonin musste innerlich grinsen, als sie bemerkte wie ihr Gegenüber nach einer freundlichen Umschreibung für diese Geschäfte suchte. Nach außen hin nickte sie aber nur bedächtig und scheinbar tief beeindruckt.
"Jemand muss Ihnen sehr dankbar gewesen sein, wenn dabei diese Limousine heraussprang.", meinte sie das Thema verschleiernd. Eine unsaubere Sache wie einen ehrenhaften Vorgang darzustellen konnte sie schließlich auch. Der Dämon schien selber nicht ganz genau zu wissen, wo der Wagen seine vielen Zusätze hatte, und da es erlaubt zu sein schien wagte Luciferi eine der Klappen in ihrer Nähe zu betätigen. Wie angekündigt glitt eine Minibar heraus, die noch dazu gut ausgestattet zu sein schien. Unter anderen Umständen hätte sie sich vermutlich gleich einen Jackie mit Eis gegönnt, doch solange nicht klar war, was sie erwartete, blieb sie besser nüchtern.
Die Dämonin schob die Minibar nach reichlicher Betrachtung zurück und nickte verstehend, als Aviditas ihr auf freundliche Art zu verstehen gab, dass sie besser nicht in seinen Sachen herumstöberte, wenn sie an ihrer Gesundheit hing. Mit Taschen anderer war man sowieso besser vorsichtig, und es gab ja auch andere Wege um Dinge in Erfahrung zu bringen.
"Es würde mir nicht einfallen, zu riskieren Ihre Unterlagen durcheinander zu bringen. Gerade bei einem großen Firmenkomplex käme das ja Sabotage gleich.", meinte Luciferi verstehend und tat auch ein wenig so, als hätte sie selbst vor Aviditas´ Aktenkoffer den nötigen Respekt. Dann dachte sie über die Restfahrzeit nach: zehn Minuten in diesem Verkehr bedeutete, dass es sicher nicht weit war und so konnte sie ihr Zielgebiet immerhin schon eingrenzen. Während sie weiter nachdachte, nahm sie das Angebot des Dämons wahr und wandte sich ihm zu, indem sie sich ein wenig auf ihrem Sitzplatz herumdrehte.
"Nur falls Sie es mir sagen wollen...", begann sie und ordnete einige Haarsträhnen in der Spiegelung einer glatten Oberfläche, hinter der sich bestimmt irgendwas Tolles versteckte, "Ich würde gern in etwa wissen, welche Aufgaben Sie für mich vorsehen würden, sollte ich auch den zweiten Test bestehen."
Es interessierte sie tatsächlich, immerhin konnte sie sich so vorbereiten und möglicherweise passende Kleidung besorgen. Möglicherweise konnte sie für das, was Aviditas mit ihr plante, sowohl Motorradkluft als auch Abendkleid zuhause lassen.

"Ja, er war mir wirklich sehr dankbar für das lohnende Geschäft." lachte Aviditas etwas auf, als er Lucis Reaktion auf den Erwerb der Limo hörte. Die Frau schien seine Einladung, sich umzusehen, auch anzunehmen und inspizierte erst einmal das Fach, welches wirklich eine Minibar gewesen war, aber nahm zu seinem inneren Leidwesen nichts heraus. Nicht das er sie gerne abfüllen würde, aber Frauen waren etwas beschwipst einfach viel umgänglicher, als sie es manchmal ohne Alkohol waren. Es schien ihr aber wichtig zu sein bei einem Bewerbungsgespräch nicht gleich Mut anzutrinken, was nach ihrem angegebenen Lebenslauf auch nicht sehr verwunderlich war, oder vielleicht mochte sie auch einfach keine alkoholischen Getränke. Im Teeladen hatte sie ja auch "nur" Tee getrunken. "Wenn sie so nett fragen, dann kann ich es ihnen ja kaum abschlagen, wenigstens eine grobe Antwort zu geben. Da ich gerne neue Mitglieder in meiner Firma in meiner Nähe habe, um ihre wirklichen Qualitäten mit eigenen Augen ansehen und entscheiden zu können, ob diese fähig sind ohne Aufsicht zu arbeiten, werden sie wohl meine persönliche Assistentin für eine Weile sein. Hauptaufgaben werden, da sie darin schon einiges an Erfahrung vorzubringen scheinen, das Herausfinden von Informationen und im Grunde genau das, was sie als 2. Test erwarten wird. Ich würde es spezielle Kundenbetreuung, welche besondere Fähigkeiten und Talente benötigen, nennen. Dann eben noch Sonderaufgaben, wobei sie wohl die meisten Instruktionen von mir persönlich oder von einem meiner Vertrauten erhalten würden."

Luciferi war kurz überrascht, als Aviditas auf ihre Aussage hin anfing zu lachen. Er hatte einen seltsamen Sinn für Humor, aber er hatte wenigstens einen, und die Dämonin stellte fest dass er sogar autoritär lachen konnte. War ihr bis dato auch nicht untergekommen. Plichtschuldig lächelte sie ebenfalls und sah sich dann noch ein wenig um. Sie hätte nur zu gern eine Kleinigkeit gegessen, hatte allerdings vergessen wo sich die Snackabteilung der Limousine befand und sie wollte auch nicht hektisch herumwuseln und lange suchen.
Die Limousine kroch im Schneckentempo durch den Berufsverkehr und Luciferi wollte eigentlich schon den Fahrer anschnauzen, er solle gefälligst jede Lücke besser ausnutzen, bis ihr einfiel dass das ja nicht ihre Sache und nicht ihr Problem war. Sie hatte es nicht eilig und hörte demzufolge aufmerksam zu, als Aviditas ihre Frage beantwortete.
Sie musste zugeben, dass sie mehr als positiv verwundert war; sollte sie tatsächlich direkt unter ihm arbeiten dürfen, käme das ihren Plänen sehr zugute, es war praktisch ein Freibrief. Auch wenn die Dämonin dann praktisch Sklavenstatus hatte, zwar mit Bezahlung, aber ohne die Möglichkeit sich Befehlen zu widersetzen, egal was der Dämon verlangte.
Na und?, dachte Luciferi und lächelte, Dass das nicht unbedingt ein Job ohne Schranken oder Risiken wird, wusste ich ja schon vorher. Und es lohnt sich. Sie nickte leicht in Richtung ihres neuen Arbeitgebers. Den zweiten Test traute sie sich auch zu, demnach bestand kein Zweifel an dem bevorstehenden Arbeitsverhältnis.
"Ich werde Sie sicherlich nicht enttäuschen.", erwiderte die Dämonin freundlich und selbstsicher, "Sie sind sehr freundlich, gerade das Metier auszusuchen welches ich gut kenne."
Wenn sie für ihn schnüffeln und infiltrieren sollte, dann würde sie das auch mit Freuden und ohne Skrupel tun. Genauso wie sie sich mit aller Heimtücke von Aviditas lösen würde, sobald es an der Zeit war und sie ihr Ziel erreicht hatte.

Aviditas lächelte zu seiner Begleiterin. "Das will ich doch hoffen, das sie mich nicht enttäuschen." Danach blickte er aus dem getönten Fenster und bemerkte das sie sich langsam in der Gegend des Zielobjektes befanden. "Das Metier, welches ich für sie ausgesucht habe, hat nichts mit Freundlichkeit meines Wesens zu tun. Es ist einfach das Gebiet, welches die höchsten Rekrutierungsraten in meiner Firma benötigt, durch geschäftsbedingte Risiken, erfordert und ihr Profilbild bestens in diesen Bereich passt. Es wäre ja unsinnig, wenn ich sie etwas machen lasse, was nicht ihren Fähigkeiten entsprechen würde." antwortete er auf ihren erneuten Dank. "Sie sollten sich auch bereit machen, wir sind nun gleich da. Es fehlt uns nur noch ein Parkplatz." gab er ihr zum Schluss noch zur Kenntnis, als er schon die Dekoration des Gebäudes, des edel Casinos, erspähte. Der Fahrer wusste, wo er parken sollte, und so blieb ihm erst einmal nichts zu tun, bevor sie auf dem nächsten "Parken verboten" Platz anhalten würden, damit der Dämon seine Geschäfte erledigen könnte.

tbc: Mrs Burns Casino